Vanessa Sahm

Vanessa Sahm

Im Juni 2021 wurde bei meiner Mutter eine sehr seltene Form von Darmkrebs diagnostiziert Nachdem zunächst keine offensichtlichen Metastasen zu sehen waren, wurde ein Teil des Darms herausgenommen und ihr eine Chemotherapie an Herz gelegt, wenn auch ohne sicheren Nutzen, da es für die seltene Form keinen Standardtherapieplan gab. Nach mehreren Wochen wurde die Therapie abgebrochen, die Nebenwirkungen überstiegen den nicht sicheren Nutzen. Im November erfolgte nach wochenlanger Atemnot aufgrund einer vornehmlich verschleppten Bronchitis die Diagnose "Maligner Pleuraerguss" und anschließend "Massive Pleurakarzinose mit gefesselter Lunge". Ende der Fahnenstange. Palliativ. Maximale Lebenserwartung noch ein halbes Jahr.

Meine Trauer fing ab dem Zeitpunkt an, als ich die endgültige Diagnose bekam. Leider war das Klinikumfeld nur mäßig hilfreich. Niemand sprach uns an, machte Angebote zu den Möglichkeiten einer palliativen Versorgung. Wenn wir uns selbst nicht ausgekannt hätten, wäre wohl kaum was geschehen.

Daheim taten wir alles, was wir konnten, um für unsere alleinstehende Mutter zu sorgen. Wir planten alles, was ging. Ihre Beerdigung. Ihre letzten Wünsche. Meine Mutter meldete sich selbst in einem Hospiz an. Für mich war es sehr hilfreich, dass wir über alles offen reden und die Dinge regeln konnten.

Wir hatten Glück. Im Hospiz wurde ein Bett frei. Noch am Tag ihres Umzugs verließen meine Mutter die letzten Kräfte. Der Hausarzt kam. Meine Mutter bekam eine palliative Sedierung. Nun sprachen wir nur noch von wenigen Tagen. Sie starb zwei Tage später ohne Schmerzen und Angst, wir (ihre Töchter, eine Schwester und Nichte) hielten ihre Hände bis zuletzt.

Was bedeutete nun für mich palliativ in dieser Zeit? Palliativ bedeutete für mich, dass meine Mutter sich am Ende geborgen fühlen durfte. Dass sie nicht alleine war. Dass es ein System gab, Menschen, an die wir uns wenden konnten. Dass sie einen verständnisvollen Hausarzt hatte, der ihr erlaubte, ohne Schmerzen, Angst und Atemnot gehen zu dürfen. Dass ich im Hospiz sicher sein konnte, dass meine Mutter in den besten Händen war. Dass wir offen über das Sterben, den Himmel, die Wünsche nach dem Tod sprechen konnten. Ich hatte nur einen Wunsch: Meine Mutter sollte sich geliebt und geborgen fühlen. Dass dem so war, war und ist mir ein großer Trost.

Mein berufliches Anliegen ist es nun, Angehörige genau auf diesem Weg zu begleiten und darüber hinaus. Denn das ist und kann palliativ.

(Januar 2024)

Eine Kampagne der DGP

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